U-Verlagerung "Ör" (Jettenhöhle)
Herzlich willkommen in der U-Verlagerung "Ör"
Im Zuge unserer umfangreichen U-Verlagerung-Erkundungstouren im Harz (2006 bis 2008) erreichten wir auch zweimal das Örtchen Osterode. Rund um Osterode gab es drei Untertage-Verlagerungen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, denen nun unser Interesse galt. (U-Verlagerung "Diabas", U-Verlagerung "Basalt" und die hier vorgestellte U-Verlagerung "Ör"). Das sich die Untertage-Verlagerung mit dem Decknamen "Ör" in einer Naturhöhle befinden sollte wird schon durch das Decknamen-Schema von U-Anlagen deutlich. Der Name "Ör" wird aus der Numismatik, auch Münzkunde genannt, abgeleitet, dies bedeutete in aller Regel, dass sich die Anlage in einer Naturhöhle befindet. So war es auch in diesem Fall, da es sich um die Jettenhöhle bei Osterode im Südharz handelte. Eingang zur Jettenhöhle , oder auch Ör
Die Jettenhöhle stellt eine Gipshöhle dar, die zusammen mit der Marthahöhle und einigen kleineren, nicht näher bezeichneten Höhlensystemen im 1967 gegründetem Naturschutzgebiet Hainholz liegt. Die im Gipskarstgebiet existierenden Höhlensysteme entstanden durch Wasser bedingte Gipsauslösungen, und dem damit verbundenen Nachbrechen von nicht wasserlöslichen Gesteinen in die entstandenen Hohlräume. Dieser Prozess dürfte bereits seit dem Ende der letzten Eiszeit andauern. Dem Menschen ist die Jettenhöhle bereits seit Jahrtausenden bekannt, dies belegen zumindest zahlreiche Keramikfunde, deren Alter auf über 2.000 Jahre datiert wurde. Die ersten Aufzeichnungen gehen zurück bis in das Jahr 1308. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Höhle allerdings als "Gettenhelle" bezeichnet. Der begehbare Teil der Jettenhöhle besteht aus einem ca. 600 Meter langem Hauptgang. Die Deckenhöhe erhebt sich passagenweise von ca. 1,5 Metern auf bis zu 9 Metern lichte Durchgangshöhe. Desweiteren gehören noch einige Nebenhöhlen, Seen und ein kleiner 30 bis 50 cm senkrecht verlaufender Schlot, der am Höhlenende an die Tagesoberfläche führt, mit zum System der Jettenhöhle. U-Verlagerung Ör ?
Unser erste Kontakt oder besser gesagt die erste Befahrung der Jettenhöhle bzw. U-Verlagerung "Ör" fand bereits im Sommer 2006 statt. Zu diesem Zeitpunkt stellten wir uns die U-Verlagerung "Ör" noch als fertiggestellte oder zumindest begonnene Produktionsanlage vor. Dieser Gedanke stützte sich auf Erfahrungen, die wir bei ähnlichen U-Anlagen wie zum Beispiel die U-Verlagerungen Heller, Sesterz, Pfennig oder Krone gemacht hatten. Außerdem sprach noch ein weiter wichtiger Aspekt dafür. Bei Betrieben, die in bereits vorhandene Hohlräume verlagert wurden, brauchten im Verhältnis zu einem Stollenneubau nur geringfügige Umbaumaßnamen durchgeführt werden. Also lag die Vermutung auf der Hand, dass sich im Inneren des Berges noch Spuren der Produktionsstätten befinden. ich bin der Martin ne...
Am Höllen-Schluf (Eingang) angekommen stellten sich schon die Fragen, wie das Eingangsportal der "U-Verlagerung Ör" wohl vor mehr als 60 Jahren aussah und wie es zu erreichen war? Bei unserer folgenden Befahrung wirkte das Höhlensystem unplanmäßig und grade zu willkürlich. Wir kletterten über viele Verbrüche und gewaltige Gesteinsberge. Wir suchten nach Anzeichen von Umbauarbeiten zum unterirdischen Rüstungsbetrieb. Doch nicht einmal die typischen Spuren wie zum Beispiel Stahlteile, Betonreste, Mauerwerk oder Ähnliches war zu entdecken. Und da die Höhle leicht geneigt in den Berg führte, müsste man schon Reste von einer betonierten Sohle finden um eine Produktionsstätte zu entlarven. Aber nichts. Die einzigen Zeugen bergbaulicher Art waren einige Metallhaken für dünne Stromleitungen an der Wand, die sicherlich nichts mit einem Rüstungsbetrieb zu tun hatten. Das keinerlei Spuren der U-Verlagerung in der Jettenhöhle aufzufinden waren, lies in uns die Vermutung aufkeimen, die Anlage sei vielleicht im Zuge der Demontagewelle gesprengt worden. Sozusagen fehlte uns einfach der Beton unterm Wald !!! Bergmann am schönen Höhlensee
Wieder zu Hause angekommen, begann unser U-Verlagerungs-Fetischist Eismann sogleich mit der Recherche zum Thema "Ör". Die Decknamenliste deutscher unterirdischer Bauten des Zweiten Weltkriegs lieferte die erste Erkenntnisse. Der Standort „Jettenhöhle bei Osterode im Südharz“ war tatsächlich als U-Verlagerung vorgesehen, allerdings kamen die Arbeiten nicht über die Planungen hieraus. Soll heißen, die Höhle wurde nicht, wie von uns zunächst angenommen, von den Alliierten im Zuge der Demontagewelle gesprengt, wie es mit vielen U-Anlagen geschehen war. Gesperrt für die unterirdische Rüstungsproduktion wurde die Jettenhöhle am 22 Dezember 1944. Nach den erforderlichen Umbauarbeiten sollte die Firma Rinkel GmbH aus Göttingen Feinmechanische Rüstungsgeräte herstellen. Die Verfügbare Fläche war mit 2.500 qm angegeben. Doch zu einer Produktion ist es nicht mehr gekommen.
Um noch einmal auf die "gesprengte" Höhlenstrecke zurück zu kommen:
Die Versturzblöcke in der Jettenhöhle stammen aus dem "reifen" Gewölbe, welches sich bei zu groß werdenen Höhlen bildet. Wenn die durch Wasserfluss geschaffenen Hohlräume zu groß werden, hält das Hangende, die über dem Hohlraum befindliche Gebirgsschicht, nicht mehr den Druck aus, so dass die Decke hereinbricht. Der Speläologe nennt dieses Versturz. Dieses geschieht so oft, bis ein neues, tragendes Gewölbe entstanden ist. Die Chance, das die Jettenhöhle oder auch andere Höhlen genau zu der Zeit zusammenstürzt, während man sie befährt, ist verschwindend gering. Trotzdem sollte man immer vorsichtig sein und nicht ohne das erforderliche Gezähe (Helm, gute Schuhe usw.) einen untertägigen Raum erforschen. Ein Restrisiko bleibt natürlich immer. Im Jahresmittel fallen 2 bis 5 Tonnen Gestein von der Decke der Jettenhöhle, da hilft auch der Helm nicht mehr weiter. Das Liegende (der Boden) ist stellenweise extrem glatt und rutschig, und birgt auch bei sehr gutem Schuhwerk hohe Risiken. Daher sind derartige Exkursionen auch nicht weiter zu empfehlen... ich bin ein Molch...
und wir nicht...
Die Jettenhöhle oder wahlweise auch U-Verlagerung "Ör" beherbergt eine Fülle an seltenen und bedrohten Tierarten. Im Eingangsbereich und im Bereich des Schlotes am Höhlenende, begegnet man mit etwas Glück Amphibien wie zum Beispiel Molchen, Feuersalamandern, Kröten usw. Säugetiere können tief im Inneren der Höhle vorkommen. Zwischen größeren Gesteinsbrocken verstecken sich ab und zu Steinmarder oder Siebenschläfer und manchmal verschläft auch ein Fuchs den Tag im Schutze des Hohlraums. Ab Ende September bis Anfang Oktober halten Fledermäuse Einzug in ihr Winterquartier. Spätestens dann hat der Mensch oder Geocacher dort nichts mehr zu suchen. Die Fledermausschutzzeit beginnt am 1. Oktober und Endet an 30 April. Störungen während des Winterschlafs bedeuten nicht selten den Tod der kleinen Flattis... Der aufmerksame Leser unserer oder anderer guter HP’s müsste dies bereits zum x-ten mal gelesen haben. Also haltet euch bitte daran.
In diesem Sinne Glück auf...
Rechte:
On Tour 2006: (unter dem HP-Projekt 7°) Björn, Erik, Georg, Marcel, Olly, Philipp, (und Gäste)
On Tour 2008: (unter dem HP-Projekt UT-ÜT) Björn, Dany, Elke, Markus, Martin, Micha, Olly
Text: Olly (2006) Björn (2009)
Fotos: Björn, Olly (2006 & 2008)
Hauptbeleuchter: Markus
Bearbeitung/Web: Björn, Markus
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