U-Verlagerung "Lava" - Projekt "B4"  

Sommer 2007: Irgendwann gegen Nachmittag erreichten wir unser neues Zuhause, einen Campingplatz bei Stempeda, wo wir die nächsten Tage verbringen wollen. Nach dem Zeltaufbau und dem üblichen Geschleppe unserer Gezähekisten machten wir uns auf den Weg, daß Örtchen Stempeda zu erkunden. Schnell wurde unsere Aufmerksamkeit auf einen ehemaligen Gipssteinbruch südlich der kleinen Ortschaft gelenkt. Berge, Wälder und Steinbrüche hatten schon immer eine magische Anziehungskraft auf uns, denn schließlich verstecken sich Stollenmundlöcher gerne mal in stillgelegten Steinbrüchen. So auch dieses mal. Schon nach kurzer Erkundung entdeckten wir das erste Stollenmundloch im Steilhang. Die nächsten Beiden ließen auch nicht lange auf sich warten und wir suchten das Gelände weiter ab. Doch leider war es uns nicht möglich die Stollenanlage zu befahren. Wir kamen ungefähr drei Jahre zu spät - denn an dem Verschluss des Stollens grinste uns das Datum 03.06.04 an.

Anfragen in der Gedenkstätte "Mittelbau-Dora", wer der Besitzer der Anlage wäre, und vor allem, wer den Schlüssel für die Tür besitze, führten leider ins Leere. (Wenn der Schlüsselinhaber von B4 dieses hier liest, möge er sich bitte bei uns melden - wir wären für eine Befahrungsmöglichkeit sehr dankbar.) Nun denn: Die Region Nordhausen gehört ja eh in die Kategorie "zu viele Stollen - zu wenig Zeit", so daß wir uns in den Folgetagen um andere (untertage-übertage-) Sachen gekümmert haben. Trotzdem gibt es an dieser Stelle nun einen kleinen Bericht über die U-Verlagerung "B4" bei Stempeda / Nordhausen:

 Vorplatz B4: links-Stollen B, rechts: Trafohaus

Die Geschichte der U-Verlagerung "Lava" begann im August des Jahres 1944. Nachdem die nur vier Kilometer entfernte Untertage-Verlagerung "Heller" (Projekt A5) in der Heimkehle fertiggestellt war und die Produktion aufnahm, wurden fast alle Häftlinge nun auf der Baustelle B4 bei Stempeda eingesetzt. Geplant war, in dem Gipsmassiv des Stolberges ein bombensicheres Stollensystem zu errichten, in dem die Firma Junkers-Flugzeugbau aus Dessau ein unterirdisches Presswerk und eine Produktionsstraße für Jumo B4-Triebwerke (B4 passt ja gut) einrichten sollte. Mit einem Deckgebirge von über 40 Metern war der Gipsberg ideal für eine untertägige Rüstungsfabrik.

Baubeginn der Anlage B4 war im August 1944. Vor dem weißen Steilhang, direkt vor den Stollenmundlöchern in dem stillgelegtem Anhydritsteinbruch entstand ein Lager mit sechs Baracken. Diese dienten vornehmlich den Bauherren und der Einsatzleitung des Bauvorhabens. Oberbefehlshaber und Geldgeber des Stollenprojektes war die OT-Einsatzgruppe IV. (OT = Organisation Todt, Gruppe IV = Braunschweig, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) Die U-Verlagerung B4 gehörte, wie fast alle unterirdischen B-Projekte im Raum Nordhausen zum Rüstungs-Komplex Mittelbau-Dora. (zusammen mit den Bauvorhaben B3, B11, B12, B13, B15 und B17) Zur Materialversorgung der Baustelle "B4" wurde eine Feldbahn-Anlage verlegt, welche die Stollenbaustelle mit dem Reichsbahnnetz verband. Die Stollenanlage mit der Baunummer 516 sollte bei ihrer Fertigstellung eine Produktionsfläche von 3.000 m² haben. Bei Kriegsende waren aber nur 592 m² unterirdischer Raum fertiggestellt.

Nachdem der Geologe Professor Dr. Schriel das Anhydrit-Gebirge untersucht hatte begannen die Architekten Hesse und Kamper mit der Planung der Bauausführung der U-Verlagerung "Lava". Drei Richtstollen (Fahrstollen A-C) sollten in den Gipsberg getrieben werden. Diese drei Stollen sollten mit sieben Querstollen, den späteren Produktionskammern, verbunden werden. Unter der Leitung von der Baufirma "Mansfelder Kupferbergbau AG" begannen die Häftlinge der Thyrawerke (Projekt A5) mit dem Stollenvortrieb. Die Häftlinge waren im Lager "Heinrich", wie der restliche Teil der Arbeiter von Projekt "A5" auch, untergebracht. Zuerst war "Heinrich" ein Außenlager von Stammlager "Buchenwald". Aber später, am 28. Oktober 1944, wurde in das Lomplexlager "Dora" mit integriert. Das Gefangenenlager "Heinrich" befand sich in der stillgelegten Porzellanfabrik Max Schuck am Stadtrand, bzw. Dorfrand von Rottleberode. Das Lager wurde im März 1944 eingerichtet. Am 31. Dezember 1944 waren 903 Gefangene im Lager Heinrich.

Am 4. April 1945, dem Tag der Evakuierung, befanden sich 1.700 Häftlinge im Lager. Die Gefangenen wurden jeden Tag mit der Feldbahn zum Stollenneubau "Lava" transportiert. Dort mussten sie, wie bei fast allen anderen Rüstungsprojekten auch, die schwere Arbeit (sprich: die Drecksarbeit!) unter unmenschlichen Bedingungen durchführen. Von der unterirdischen Rüstungsfabrik für die Junkers-Werke ist noch nicht einmal ein Viertel fertig geworden. Von den geplanten sieben Kammern waren erst drei bei Kriegsende fertiggestellt. Trotzdem wurde der fertige Stollenabschnitt von B4 schon für die untertägige Fertigung ausgerüstet. Nachdem die Stollensohle betoniert, und die Lüftunganlage installiert war, sollten die fertigen Stollen folgende Aufgaben übernehmen:

Fahrstollen A: Kompressorkammer und Transformatorenkammer im Flügelort.
Fahrstollen B: Versorgungsstollen
Fahrstollen C: Versorgungsstollen, Produktionsstraße mit einem kleinem Luftschutzbereich im Flügelort

Kammer 1: Heizung und Transformatorstation
Kammer 2: Tanklager und Materiallager
Kammer 3: Tief-Zieh-Presse für Flugzeug-Außenhaut

 Stollenmundloch Fahrstollen A

 Stollenmundloch Fahrstollen B

 Stollenmundloch Fahrstollen C

Von oben gesehen, erinnert der Riss von der U-Verlagerung "Lava" ein bisschen an den großen Bruder, daß Mittelwerk - nur eben viel kleiner. Doch die U-Anlage ist, wie eben schon beschrieben, nicht fertig geworden. Somit kam es folglich auch nicht mehr zur unterirdischen Flugzeug-Produktion im Stolberg bei Stempeda...

Das Projekt "B4" hatte in der Anfangszeit zwei verschiedene Decknamen: Melaphyr und Lava! (Stollenneubau = Decknamen aus der Gesteinskunde) Von den beiden Decknamen blieb nach einer Richtigstellung des Oberbergamts Clausthal-Zellerfeld (Schreiben vom 5. Januar 1945) nur noch der Tarnname Lava übrig. Also hatte die U-Verlagerung "Lava" im Anfangstadium, etwa 5 Monate lang, zwei Decknamen. Strenggenommen sogar drei, wenn man "B4" auch noch dazu zählt. Wer also die U-Verlagerung "Melaphyr" (Baunummer 517) sucht, wird sie nicht finden - oder doch? Bei der Decknamenvergabe des RMfRuK gab es bekanntlich immer wieder Probleme, da die Decknamen für unterirdische Anlagen nicht von zentraler Stelle aus vergeben wurden. (Der Wichert ist voll mit diesen Fehlern...)

 Eingangsbereich zum Fahrstollen B

 Eingangsbereich zum Fahrstollen C

Von der U-Verlagerung Melaphyr, äh Lava ist heute nicht mehr viel zu sehen. Auf dem Gelände vor der Untertage-Verlagerung befindet sich jetzt ein Sportplatz. Zudem gibt es noch ein kleines Trafohäuschen und eine Original-Baracke zu sehen. Alle drei Stollenmundlöcher sind noch vorhanden. Fahrstollen A ist zum Fledermausschutz vermauert. Fahrstollen B ist mit einer massiven Gittertür verriegelt und dient im Sommer als ideale Erfrischung für den schwitzenden Bunkersportler. (nicht wahr, Schlufine?) Es wettert sehr stark aus dem Fahrstollen B, in dem ein vorgelagertes Rohr in den eigentlichen Hauptstollen führt. Auch Fahrstollen C ist mit einem Gitter verschlossen. Die untertägigen Räume sind natürlich auch noch vorhanden, wie einige Fotos, welche wir im Archiv des Museums "Gedenkstätte Mittelbau-Dora" fanden, beweisen.

So, liebe Leser, das war`s (vorerst) von der U-Verlagerung "Lava" - Glückauf und bis zur nächsten Untertageverlagerung...

 Unterirdische Produktionskammer (Archivfoto)

Kleinvieh:

Fahrer vom Dienst:
zum nächsten Stollen: Bergmann, zum nächsten Supermarkt: Elke

Wald- und Steinbrucherkundungstruppe:
Bergmann (gib mir das Stativ und leuchte den Stollen aus - schnell, schnell...)
Eismann (der Stolberg gehört ab sofort mir - ist das ne Originalbaracke?)
Elke (ich hab keine Lust mehr - ich bin müde...)
Schlufine (geiler Wetterzug - hier könnte ich den ganzen Tag stehen bleiben...)
sowie Kira und mehrere Flaschen "Turmbläser-Pils"...

Fotos von Stollenmundlöchern, Betonplatten, Ruinen und fickenden Schnecken:
Bergmann, Eismann und Schlufine

Schreiberling: Eismann

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